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العنوان
Jans des Enikels Weltchronik
Eine strukturanalytische und inhaltliche Untersuchung
المؤلف
AbdelWahab,Yasmin Mohamed Said
هيئة الاعداد
باحث / Yasmin Mohamed Said AbdelWahab
مشرف / Mohamed Abdel-Salam Youssef
مشرف / Leila Samsam
الموضوع
Die Weltchroniken-
تاريخ النشر
2009
عدد الصفحات
218.p:
اللغة
الألمانية
الدرجة
ماجستير
التخصص
اللغة واللسانيات
تاريخ الإجازة
1/1/2009
مكان الإجازة
جامعة عين شمس - كلية الألسن - für Germanistik
الفهرس
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Abstract

Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, die Weltchronik des Jans Enikel sowohl strukturanalytisch als auch inhaltlich zu untersuchen. Da die Weltchronik eine mittelalterliche Literaturgattung ist, haben wir im ersten Kapitel einen Überblick auf das Mittelalter als Epoche geworfen. Das Mittelalter gilt, auch literarisch, als Epoche, die sich vom 5. bis ins 15. Jahrhundert erstreckt.

Die deutsche Literatur des Mittelalters stand nach Peter Nusser am Anfang vor allem im Zusammenhang mit den germanischen Regenten der Völkerwanderungszeit, und war noch nicht in die christlich-antike Vorstellungs-welt integriert.1
Etwa vom Jahre 700 an erfuhren die Germanen, wie Heinrich Haerkötter schreibt, eine gewaltige Umwandlung ihres Wesens. Das Christentum gewann entscheidenden Einfluss auf ihr Denken und Handeln. Sowohl die Geistlichen als auch die weltlichen Gebildeten wurden nun für lange Zeit die Lehrer des deutschen Volkes. Damit waren sie auch weitgehend die Träger der Literatur. Daraus resultiert, dass die meiste Dichtung dieser Zeit in lateinischer Sprache geschrieben wurde.2

Im 12. und 13.Jahrhundert begann die höfische Kultur das kulturelle Leben zu beeinflussen. Als Folge veränderte sich die deutsche Literatur, da die weltlichen Fürsten Einfluss auf Themen der Literatur nahmen. Nicht nur die sozial-literarischen Verhältnisse begannen sich zu ändern, auch die politischen und geistig-religiösen Mächte erfuhren seit der Mitte des 13. Jahrhunderts tief greifende Wandlungen.
Das Mittelalter ist eine Epoche, die germanische, antike und christliche Entwicklungen in sich vereinigt. Neben der weltlichen Hofliteratur hat es jedoch auch im hohen Mittelalter eine eigene Literatur der Kirchen und Klöster gegeben, die noch überwiegend lateinisch war. Erst im Verlauf des 13. Jahrhunderts entstand ein umfangreiches religiöses Schrifttum in deutscher Sprache. Das geistige Leben des Mittelalters bildete in seinen Äußerungen eine geschlossene Einheit. Es hatte eine notwendige und allgemein gültige Grundlage, und zwar die religiöse Idee.
Die Generation um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert schuf sich ihr Welt- und Menschenbild aus dem Glauben an eine politische, soziale und religiöse Ordnung. Mit dieser Generation ist ein Wandel des Ideengehalts eingetreten. Die alte Idee der romantischen ritterlichen Phantasiewelt wirkt zwar noch lange fort, allerdings nicht mehr mit der alten Stärke. Sie kommt nicht mehr aus dem inneren und eigenen Seelengrunde der Zeit, sondern sie ist oberflächlich geworden und wird nur noch als ein Abglanz der Vergangenheit gepflegt.
Das Verhältins zwischen Mensch und Gott war das metaphysische und historische Problem. Die Weltgeschich-te ist im Plan der Vorsehung angelegt. Die Geschichte der Menschheit ist nach der Vorbestimmung Gottes verwirk-licht. Es ist die Heilsgeschichte, das Drama von Sündenfall und Erlösung. Auf diese Weise ist die Menschheits-geschichte ein Dualismus zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Weltstaat und Gottesstaat sowie zwischen Gut und Böse.
Bei der Beschreibung des Verhältinsses von Ge-schichte und Gegenwart, bei der Aufnahme höfischer Ideale in das Wissen um die Geschichte sowie bei der Relevanz der Geschichte für die Gegenwartsdeutung ist die Weltchronik besser als der Roman geworden.
In diesem Kapitel habe ich versucht zu zeigen, wie die Weltchroniken als Bibelersatz angesehen werden konnten.
Der mittelalterliche Mensch fühlte sich mit der Vergangenheit verbunden. Bedeutsam für das Mittelalter war die Lehre von den sechs Weltaltern. Grundlage war der biblische Schöpfungsbericht, nach dem Gott die Welt in sechs Tagen schuf. Die Menschen waren von der göttlichen Heilsgeschichte überzeugt und folglich von ihr beeinflusst. So entstand eine starke Neigung hin zu einer Dichtung, die dieses Thema diskutiert. Da die Weltchronik gemäß den Schöpfungstagen der Genesis in sechs Weltalter gegliedert ist und hauptsächlich die gesamte Weltgeschichte darstellt, beginnend bei Adam und Eva und der Geschichte des Sündenfalls bis zur Gegenwart, wird sie als Bibelersatz angesehen, besonders weil es vor dem 15. Jh. keine vollständige deutsche Bibel gab.
Sechs deutsche Weltchroniken sind zwischen 1150 und 1350 entstanden. In diesem Kapitel habe ich mich auf Jans Enikels Weltchronik konzentriert. Zuerst wurde von Enikels Biographie gesprochen. Nach dieser Untersuchung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass über den Verfasser urkundlich nichts bekannt ist. Die Informationen über das Leben von Jans Enikel müssen daher aus seinen Werken abgeleitet werden.
Enikels Lebensdaten – so bemerkt Martin Rainer Müller – sind wegen des Fehlens jeglicher Urkunden kaum feststellbar. Strauch vermutet, dass Enikel zwischen 1230 und 1240 geboren wurde.3
Wegen des Fehlens von Urkunden über Enikels Leben, hat er keine feste Namensform. Ob er Jans Enikel, Jans Enkel oder Jans Eninkel heißt, ist bis jetzt umstritten. Dasselbe gilt auch für seinen Lebensort und seine soziale Stellung.
Hans Rupprich sagt: „Jans Enikel, in Wien ansässig, erscheint politisch betrachtet noch als Ausläufer der Babenbergerzeit, persönlich und literarisch gehört er bereits den Kreisen eines wohlhabenden und aufstrebenden Wiener Bürgertums an. Er besaß in Wien ein eigenes Haus, war vermutlich ein wohlhabender Kaufmann mit Interesse für Bildung und Literatur.“4
Der Versuch, das Leben Jans Enikels in diesem Kapitel zu verfolgen, lässt uns erkennen, dass die Forscher bezüglich Enikels sozialer Stellung in zwei Gruppen gespalten sind. Einige sehen ihn als Wiener Ritterbürger, die andere Gruppe vertritt die Meinung, dass Jans Enikel zum Wiener Bürgertum gehört.
Dieses Kapitel beinhaltet auch Informationen über Enikels Werke. Zwei Werke besitzen wir von ihm, eine „Weltchronik“ und das „Fürstenbuch“.
Hans Rupprich meint, dass seine beiden umfangreichen Werke, an denen er um 1280 gearbeitet und die er in Reimversen geschrieben hat, zum großen Bereich der damals aufblühenden deutschsprachigen Historiographie bzw. Geschichtsdichtung zählen .5
Die Weltchronik des Wiener Bürgers Jans Enikel erzählt nach Hans Joachim Koppitz in 28958 Reimpaarversen die Weltgeschichte von der Schöpfung bis nahe an die Gegenwart des Chronisten, jedoch nicht in kontinuierlichem Fortgang, sondern mit chronologischen Sprüngen und mit einer Vorliebe für allerlei Erzählungen. 6

Die Weltchronik ist nach den bekannten sechs Zeitaltern gegliedert: von Adam bis zu Noah, von der Sintflut bis zu Abraham, von Abrahams Tod bis zu David, von David bis zur Verschleppung der Juden nach Babylon, von der babylonischen Gefangenschaft bis zu Kaiser Augustus und von Christi Geburt bis zum Tode Kaiser Friedrichs II.
Durch das gesamte Kapitel hindurch haben wir einen wichtigen Faden verfolgt, und zwar den, dass Enikel eine erhebliche Menge an Erzählstoffen, die chronikalisch nicht fixiert sind, in seine Chronik eingfügt hat.
Der Autor hat sich nach Winfried Frey und Walter Raitz die Mühe gemacht, für seine Chronik Stoffe aufzubereiten, die eigentlich chronikfremd und einem universalhistorischen Entwurf nicht angemessen waren. Er hatte es oft mit schwank- oder exempelhaften Stücken zu tun, die keinerlei historische Qualität besaßen. Er unternahm es also, eine Literatur zu chronikalisieren, die ihrem Ursprung und ihrer Anlage noch nicht in die historischen Literaturgattungen gehörte.7
Aufgrund der Methode Enikels bei der Darstellung der Geschichte haben wir in diesem Kapitel darauf hingewiesen, dass er von den Forschern als Erzähler und nicht als Historiker eingestuft wird. Diese charakteristische Methode beim Schreiben lässt ein großes Publikum sich um sein Werk versammeln, und auf diese Weise gewinnt Enikel große Beliebtheit.

Die Quellen, auf die sich Enikel beim Schreiben seiner Weltchronik gestützt hat, sind die Bibel, die Imago Mundi des Honorius Augustodunensis, die Historia scholastica des Petrus Comestor, die Kaiserchronik, österreichische Annalen und eine Genealogie der öster-reichischen Fürsten.
Wir haben in diesem Kapitel auch erwähnt, dass die Weltchroniken zunächst mündlich überliefert und erst später aufgezeichnet wurden, weshalb es mehrere Handschriften von jeder Weltchronik gibt. Nach Strauchs Zählung ist die Weltchronik von Jans Enikel in 39 Handschriften überliefert.
Da Enikels Leben urkundlich nicht nachweisbar ist, ist die Datierung seiner Werke schwierig und proble-matisch. Die Entstehungszeit der Werke kann somit nur aus ihrem Inhalt oder aus ihrer Abhängigkeit von Vorlagen erschlossen werden. Philipp Strauch, der Herausgeber der Weltchronik, vermutet anhand der Ereignisse der Welt-chronik, dass sie etwa im Jahre 1277 verfasst wurde. Helmuth Leopold vermutet dagegen, dass Enikel sie ungefähr im Jahre 1272 verfasst hat.
Das zweite Kapitel widmeten wir Jans Enikels Weltchronik in einer Untersuchung aus strukturanalytischer Sicht.
Die Hauptaufgabe dieses Kapitels besteht darin, mit Hilfe der Dependenzgrammatik die Satzstruktur des Textes von Jans Enikels Weltchronik zu untersuchen und daraus auch philologische Ergebnisse abzuleiten. Bevor diese Untersu-chung dargestellt wurde, wurde die Valenz als grammati-sche Erscheinung behandelt.
Der Begriff Valenz bezieht sich von Anfang an auf syntaktische Erscheinungen und bedeutet die Fähigkeit des Verbes, weitere Stellen im Satz zu fordern, um einen syntaktischen, inhaltlichen Satz zu bilden.
Die Anzahl der Ergänzungen und Angaben in einem konkreten Satz kann nicht ermittelt werden, bevor der Umfang des Valenzträgers festgelegt worden ist. Es muss folglich zuerst untersucht werden, welche Teile des Satzes zum Verb gehören und welche als selbständige Satzglieder zu betrachten sind.
In diesem Kapitel habe ich Engels Auffassung zur Valenz verfolgt. Engel greift auf das bekannte Merkmalpaar ‘obligatorisch/fakultativ‘ zurück und gelangt zu der Ansicht, dass Angaben nur das syntaktisches Merkmal ‘fakultativ‘ tragen, weil für sie gilt, dass sie immer fakultativ sind. Streicht man in einem gegebenen Satz eine Angabe weg, so bleibt der Satz in jedem Fall grammatisch. Für Ergänzungen, die je nach regierendem Verb obligatorisch oder fakultativ sein können, nimmt er dann an, dass sie teils obligatorisch, teils merkmallos sind.8
Es ist nämlich nicht immer leicht zu erkennen, bemerkt Hugh Maxwell, ob ein Element selbständig zur Bedeutung im Satz beiträgt, oder ob die normale Bedeutung eines Elements bei einem bestimmten Verb verblasst oder verschwunden ist. Es ist eine Eigen-tümlichkeit der Angaben, dass sie im Laufe der Zeit bei bestimmten Verben zu Ergänzungen oder Bestandteilen von festen Syntagmen erstarren können.9
Ergänzungen können also nur bei den Verben vorkommen, in deren Stellenplan sie sich befinden. Die Angaben dagegen sind allgemeine Elemente, können also bei jedem Verb vorkommen, sobald sie nicht gegen die semantische Bedeutung verstoßen.
Von der Wertigkeit der deutschen Verben haben wir auch gesprochen. Während manche Sprachwissenschaftler die Meinung vertreten, dass die deutschen Verben null- bis fünfstellig sein können, gehen andere Sprachwissen-schaftler davon aus, dass die deutschen Verben ein- bis höchstens vierstellig sein können. Engel vertritt die Meinung der zweiten Gruppe.
Wir haben auch darauf hingewiesen, dass es eine semantische und eine syntaktische Valenz gibt. Unter semantischer Valenz ist die Tatsache zu verstehen, dass bestimmte Wörter bestimmte Partner verlangen. Diese Partner müssen bestimmte Bedeutungselemente besitzen, um eine Verbindung eingehen zu können. Unter syntaktischer Valenz sind die syntaktischen Realisierungen der semantischen Valenz im Satz zu verstehen.
Wir sind dann auf die Untersuchung der Valenz der Verben in Enikels Weltchronik eingegangen. Anhand der vorliegenden Arbeit, ist mir der Versuch gelungen zu zeigen, dass es nur ein einziges Nachschlagewerk gibt, das die Weltchronik von Jans Enikel strukturanalytisch behandelt hat. Das ist das Werk von Gabriella Fuchs „Verbvalenz bei Jans Enikel“. Die Hauptschwierigkeit der vorliegenden Untersuchung besteht deshalb darin, ein so umfangreiches und nur selten strukturell behandeltes Thema zum Gegenstand zu haben. Deshalb habe ich mich bemüht, die alten Forschungsergebnisse durch neue Funde und Hypothesen zu erweitern.
Die Untersuchung der Verse von Enikel beschränkt sich nur auf Vollverben. Modalverben, die den Infinitiv eines Vollverbs erfordern, werden nicht untersucht, da die Valenz vom Infinitiv abhängt. Das Modalverb aber verändert die Semantik des Satzes. Die Untersuchung wird mit Belegen unterstützt, um die Häufigkeit der Verwendung darzustellen. Alle Belege, sowohl die aus dem Werk zitierten, als auch die Gabriella Fuchs entnommenen, wurden von der Verfasserin der vorliegenden Arbeit ins Neuhochdeutsche übersetzt.
Die Analyse der Verse Jans Enikels und die Einsetzung der Valenz der Verben als satzkonstituierdende Kraft ergeben, dass Enikel zur Benutzung vieler Ergän-zungen und Angaben neigt. Seine Sprache unterscheidet sich von den anderen Dichtern durch Redeschmuck. Ausgeschmückt wurde die Sprache mit allen Arten von Ergänzungen, um das Publikum zu fesseln. Die elf Ergänzungen, auf die Ulrich Engel hingewiesen hat, sind in Enikels Weltchronik zu finden. Die Satzmuster bestätigen, dass Enikel regelmäßig fakultative Glieder benutzt, um dem Publikum seine Ideen nahe zu bringen. In ein und demselben Vers kann er mehr als eine fakultative Ergänzung verwenden. Auch Verben, mit denen er sich dem Publikum nähert wie sprechen, antworten, sagen usw., hat er im Laufe der Weltchronik mehrmals benutzt.
Jans Enikel benutzt keine komplizierten Satzstrukturen. Seine Sprache ist der gesprochenen Sprache nahe. Künstlerische Wortschöpfungen und ungewöhnliche Satzkonstruktionen liegen ihm fern. Die Nebensatz-konstruktionen hat Enikel häufig verwendet und einfach aufgebaut.
Die Untersuchung ergibt darüber hinaus, dass die Erzählungen in Jans Enikels Weltchronik zum größten Teil in Form von Dialogen aufgebaut sind, um das Publikum an den Geschehnissen teilnehmen zu lassen. Durch die einfache Sprache des Dichters, die mit unterschiedlichen Ergänzungen geschmückt ist und die sich direkt an das Publikum richtet, werden seine Ideen dem Publikum leicht zugänglich und verständlich.
Nachdem das Werk im zweiten Kapitel struktur-analytisch behandelt wurde, unternimmt das dritte Kapitel eine inhaltliche Untersuchung der Weltchronik Jans Enikels. Dabei wurde Jans Enikels Weltchronik intensiv und ausführlich untersucht. Über den Inhalt des Werkes haben wir bereits am Anfang gesprochen.
Enikel lässt die Historie mit Schöpfung und Sünden-fall beginnen und stellt die Weltgeschichte gemäß seiner biblischen Vorlage als Heilsgeschehen dar. Aber immer wenn er andere Quellen als das Alte Testament heranzieht, drängt er den heilsgeschichtlichen Aspekt zurück.

Jans sucht in der Bibel in erster Linie, wie Herbert Zeman schreibt, zwar den epischen Rohstoff, aber auch Erklärungen für natürliche und gesellschaftliche Zustände in Vergangenheit und Gegenwart sowie lebenspraktische Ratschläge. Er will also keinesfalls Geschichtstheologie liefern, allerdings auch keine echte Geschichtsschreibung im Sinne der Gelehrten, obwohl er diese – namentlich im Wiener Schottenkloster – ausgiebig befragt haben dürfte.10
Nach der inhaltlichen Untersuchung dieser Welt-chronik wurde es klar, dass Jans Enikel einige Phänomene unter die Lupe genommen hat. Wir haben diese Phänomene näher untersucht. Sie sind typisch mittelalterlich und spiegeln die Zeit, in der Enikel seine Weltchronik verfasst hat, wider.
Besonders stark in den Vordergrund trat allmählich das Phänomen des Frauenbilds. Hierüber habe ich ausführlich gesprochen.
Das mittelalterliche Frauenbild ist durch eine frauen-feindliche Schilderung gekennzeichnet. Man glaubte, dass die Frau von Natur aus minderwertig und dem Mann unterlegen sei. Enikel ist stark von diesem mittelalterlichen Frauenbild beeinflusst, das verdeutlicht sein Blick auf die Frau an mehreren Stellen seines Werkes. Die erste Szene, in der Enikel die Frau negativ darstellt, ist die Szene des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies. Ebenso negativ erscheint das Frauenbild dann auch in Enikels Darstellung von Alexanders Meerfahrt, von Samson und Delila sowie von Focas und Eraclius. In all diesen Szenen lässt Enikel die Frau als betrügerisch, listig und zänkisch in Erscheinung treten.
Neben dem Phänomen des Frauenbildes in der Weltchronik wurde auch das Phänomen der Emotio-nalisierug bei Enikel untersucht. Bestes Beispiel hierfür ist die Szene der Aussetzung des jungen Moses. Jans Enikel ignoriert die faktische Vorgeschichte und konzentriert sich ganz auf den Abschiedsschmerz der Mutter.
Auch Enikels Darstellung der Josephsgeschichte wurde in diesem Kapitel behandelt, und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Jans Enikel vom mittelalterlich-städtischen Phänomen beeinflusst ist. Er erzählt diese Geschichte, um das Vorhandesein von Handel und Kaufleuten zu dieser Zeit zu betonen.
Die aus zahlreichen Stellen von Enikels deutsch-sprachigen Geschichtsdichtungen ersichtliche Kenntnis des Geldwesens und seine Vertrautheit mit der Geschäftswelt machen es nach Fritz Wagner sehr wahrscheinlich, dass Enikel entweder Kaufmann war oder mindestens einen sehr engen Kontakt zu diesem Stande hat.11
Ein weiteres Phänomen, das Enikel an mehr als einer Stelle erwähnt hat, ist die List. In der mittelhochdeutschen Literatur im allgemeinen nimmt die Benutzung von List zu. Das ist auch bei Enikel zu bemerken. Am Beginn seiner Weltchronik erzählt er die Geschichte der Vertreibung aus dem Paradies, die durch den listigen Teufel bewirkt wird. Dann finden wir auch List in der Geschichte von der Arche Noah. Enikel berichtet vom Eindringen des Teufels in die Arche und von seinem Versuch, die Arche durch listige Täuschung zu versenken und dadurch die gesamte Schöpfung zu vernichten. Der Teufel ist die Hauptfigur der Episode. Seine satanische Macht und Schläue sind groß, was die anderen Beteiligten wiederholt zu spüren bekommen.
In diesem Kapitel haben wir jedoch nicht nur die List, die durch den Teufel bewirkt wird, sondern auch die List der Menschen behandelt. Das erscheint in Jakobs Betrug an Bruder und Vater, in der Erzählung von Jakob und Rachel, in der Szene von David und Saul sowie in der Geschichte von Achilles und Deidameia.
Im Folgenden wurde auf ein weiteres Phänomen eingegangen, und zwar auf das höfische Phänomen.
Nach Horst Wenzel weist bereits die Verwendung des entsprechenden französischen Vokabulars auf Enikels Kenntnis der höfischen Tradition hin. Diese Einschätzung bestätigt sich, wenn wir der Frage nach Minne und Aventiure nachgehen, den zentralen Phänomenen der höfischen Ideologie. Das erscheint in der Szene von David und Goliath. David wagt den Kampf mit Goliath, nachdem König Saul dem Sieger die Minne seiner schönen, tugendhaften Tochter in Aussicht gestellt hat.12
Auch die Erzählung von Samson und Delila und die Szene über Friedrich von Antfurt werden ganz ähnlich nach der Art der höfischen Novelle überliefert.
Da Enikels Programm verlangt, dass er die Erzählung Friedrich von Antfurts als Ereignis in der Regierungszeit Friedrichs II. präsentiert, muss er, so meint Conrad Wiedermann, die Geschehnisse in das kaiserliche Hofleben einflechten. Da Antfurt ein Gesell ist (28205), also ein Vertrauter des Kaisers und einer der mächtigen Männer im Land, muss die Dame ebenfalls zu den Kreisen des Hofes gehören, denn sonst wäre die Beziehung für den hohen Ritter unattraktiv.13
Weisheit ist ein weiteres Phänomen, auf das hingewiesen wurde. Dieses Phänomen erscheint in Enikels Darstellung von König Salomo. Enikel konzentriert sich auf einige wenige Ereignisse im Leben Salomos, aus denen die außergewöhnliche Weisheit des Königs ersichtlich wird. Das erscheint in der Szene des Tempelbaus und bei Salomos Rückkehr nach Jerusalem. Es gibt aber eine Szene, in der die Weisheit zusammen mit der Emotionalisierung erscheint, und zwar in der Szene vom salomonischen Urteil.
Die Geschichte vom Streit der beiden Frauen um das Kind wird nach Gabriel Viehauser nicht nur als Exempel für weise Rechtsprechung erzählt, sondern es verdeutlicht auch eine emotionale Motivation, durch die das Mitgefühl der Leser geweckt wird.14
Weiter wurde auf eine wichtige Bemerkung eingegangen. Enikel neigt beim Schreiben zur Anonymität. Das wurde in der Szene von Julius Cäsar und Augustus untersucht. Was im Abschnitt über Julius Cäsar zu bemerken ist, bestätigt sich auch in der Szene von Augustus. Jans Enikel hat den anonymen Handlungsträgern mehr Spielraum eingeräumt als den historischen Kaiser-gestalten. Auch in seiner Darstellung des Lebens der Päpste neigt er zur Anonymität.
Nach Ursula Liebertz-Grün wendet sich Enikel auffallend heftig gegen die Vorstellung, alle Päpste hätten ein heiligmäßiges Leben geführt oder sich doch zumindest die ewige Seligkeit verdient (W22711-22718). Um diesen Irrtum zu widerlegen, lässt er neben einigen guten Päpsten, auch eine Reihe negativ gezeichneter Figuren auftreten.15
Die anschliessenden Erzählungen über den Kaiser, die den größten Teil des Karlsabschnittes ausmachen (V. 25673-26532), sind nach Karl Ernst Geith ganz anders geartet. Es sind fast ausschließlich großangelegte und ausführliche Berichte über bestimmte Ereignisse aus dem Leben Karls des Großen, deren gemeinsames Kennzeichen es ist, dass sie zeitlich nicht fixiert werden und dass sie in den historiographischen Quellen völlig fehlen.16
Auch im Karlsabschnitt konnte die Meinung der Forscher, dass Jans Enikel Erzähler und kein Historiker ist, bestätigt werden. Historische Ereignisse interessieren ihn nicht.
Winfried Frey und Walter Raitz schreiben hierzu folgendes: „Entlang dem grob vorgegebenen welthistori-schen Raster, dessen er sich zuweilen in kurzen Prosa-einschüben versichert, reiht er Episoden aneinander. Dabei hat für ihn die Einheit einer Erzählung offensichtlich Priorität vor einem etwa übergreifenden Fakten- und Zeitensystem. Nicht selten schiebt sich ein Erzählzusam-menhang über eine traditionelle Zeitabschnittsgrenze hinweg.“17
Die Weltchronik Jans Enikels endet mit einer Reihe miteinander verbundener Erzählungen über Kaiser Fried-rich II.
Hier wurde bemerkt, dass Enikel Friedrich als vorbild-haften Herrscher sieht. Anstelle einer ausführlichen Liste von Tugenden charakterisiert er den Kaiser durch eine typisch höfische Hyperbel. Die Nachrichten über das politische Wirken des Kaisers spielen in der Weltchronik im Vergleich mit den Informationen über seine Charaktereigenschaften eine vergleichsweise geringe Rolle.
Obwohl Jans Enikel in seinem Werk sowohl geistliche als auch weltliche Geschichte erzählt hat, kann man seine Weltchronik nicht zu den rein historischen Werken zählen. Er hat zwar Geschichte erzählt, darin aber Sagen und Legenden eingebettet. Man ist deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass sein Werk teils zur Belehrung, teils zur Unterhaltung dienen sollte.